Nayla

„Es ist so verrueckt: Vorgestern war ich noch in New York, uebermorgen gehe ich schon wieder nach LA. Letzte Woche habe ich in Brooklyn vor jungen Leuten einen Vortrag ueber meine Erfahrungen als Filmemacherin in Dubai gehalten. Die Leute kamen aus der Filmindustrie, es waren Kuenstler und Journalisten darunter. Sowas wird es in Dubai so bald nicht geben. Und wenn du ein gutes Drehbuch machen willst, dann must du die richtigen Leute in LA treffen. Ich weiss nicht, wie lange ich hier noch bleiben soll.“

Nayla wurde vor dreissig Jahren in Dubai geboren, da war diese Stadt noch winzig und unbekannt, und die Einheimischen wohnten alle am Creek, jener tief in die Wueste sich hineinschiebenden Bucht, an deren Ende ein paar Flamingos auf Salzbaenken stehen. Nicht weit entfernt von dort wohnt Nayla bei ihrer Mutter, und weil das Haus inzwischen in einer der Flugschneisen des Dubai International Airport liegt, hat Nayla auch schon mal Scheich Mohammed zu einem oeffentlichen Anlass gefragt, warum man den Flughafen nicht ausserhalb der Stadt haette bauen koennen. Die Leute seien darueber ziemlich erschrocken gewesen.

„Bei uns zu Hause wohnt Osama Bin Laden, wenn Du verstehst, was ich meine. Also meine Eltern sind sehr konservativ… Ich habe ihnen schon genug Aerger gemacht. Mein Vater wuerde mich verstossen. Er und mein Bruder reden schon seit einem halben Jahr nicht mehr mit mir, weil ich zu einer Konferenz nach Genf gefahren bin, ohne um Erlaubnis zu fragen.“

Heute verfuegt ihre Mutter ueber Naylas Pass, aber wenn die Tochter weiter ueber die Straenge schluege, muesste ihn die Mutter an den Vater abgeben, und dann wuerde es eng. „Mit 22 wollte ich in Toronto Film studieren. Bewegung ist fuer mich das groesste Wunder. Warum kann man sich bewegen, und kann Film Bewegungen festhalten? Das hat mich schon als Kind interessiert. Fuer mich sind bewegte Bilder friedlicher als stehende. Schwer zu erklaeren, ich weiss. Vielleicht, weil es natuerlicher ist. Jedenfalls durfte ich nur nach Kanada, wenn ich vorher heiraten wuerde. Ich fand einen Mann, der dazu bereit war. Er ist ein wunderbarer Mensch, und er hat mich geheiratet, obwohl wir nicht verliebt waren. Gleich nach der Hochzeit bin ich nach Toronto gegangen und habe vier Jahre im Westen gelebt. Das war sehr wichtig fuer mich und hat mich veraendert. Ich wolte immer anders sein als die Leute in meiner Umgebung, seit Torornto weiss ich, das hatte mit dem Film zu tun, mit Kunst. Als ich zurueckkam, haben wir uns sofort scheiden lassen. Der Richter hat gefragt: Warum lasst ihr euch scheiden, ihr seid doch sehr gut zueinander? – Jetzt muss ich mein Leben sortieren. Ja, ich wuerde gern jemanden aus Liebe heiraten. Aber ich habe noch nicht den Richtigen gefunden, und ein Emiratie kommt sowieso nicht infrage. Ein Emiratie wuerde mich nicht aushalten. Ich werde in den Armen eines Auslaenders enden.“

Inzwischen hat sie einen deutschen Produktionsmitarbeiter, Sebastian Funke (Sie spricht es aus wie funky: „Lustiger Name, oder?“) „Ich weiss auch nicht, warum ich immer mit den Deutschen zu tun habe. Wahrscheinlich, weil sie so zuverlaessig sind. In meinem ersten Film habe ich einem Deutschen, mit dem ich vorher in Toronto auf der Schule war, Dubai gezeigt. „Unveiling Dubai“ hat den Behoerden hier gut gefallen. Du must ja dein Skript immer erst bei der Media Agency in Abu Dhabi einreichen, und die sind sehr schwierig. Aber der Film hat allen gut ins Konzept gepasst, irgendwie war es Werbung fuer die Stadt.“

Ihr neues Projekt wird ihr und den Behoerden wahrscheinlich mehr Probleme bereiten. Sie will die Geschichte ihrer ersten Nacht mit einem Mann erzaehlen. Es sei ziemlich traumatisch gewesen. Sie habe sich von Zuhause weggestohlen und den Mann in seiner Wohnung getroffen. Spaeter seien Leute aufgetaucht und haetten eine halbe Stunde lang an der Tuer geklopft. „Ich wusste nicht, ob ich ueberhaupt wieder zurueck nach Hause kann.“

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