Michael Schindhelm | INTERVIEW MIT BERLINER ZEITUNG

Interview mit Berliner Zeitung

Am 1. April 2005 traten Sie Ihr Amt als Generaldirektor der Opernstiftung unter anderem mit der Aussage an: Es geht nicht darum, dass sich möglichst wenig in den Opernhäusern ändert. Fast vier Jahre später drängt sich der Eindruck auf, dass es derzeit nur noch um den Erhalt des Status quo geht. Beobachten Sie die derzeitigen Entwicklungen und wenn ja, wie stellt sich die Berliner Opernstiftung aus Ihrer Sicht dar?

 

Auf einer bestimmten Benutzeroberfläche sah es auch schon vor vier Jahren so aus, als ginge es nur um die Bewahrung von Status und deswegen glaube ich, dass die Dringlichkeit, Veränderungen durchzuführen, nach wie vor gegeben ist. Die Statusfrage ist nicht eine Frage, die immer gleich zu beantworten ist. Es gibt verschiedene gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Gründe, warum seit 1989 die Statusfrage der Opernhäuser neu bewertet und beantwortet werden muss. Das ist noch nicht geschehen. Die Frage steht nach wie vor.

 

1 ½ Jahre nach ihrem Amtsantritt haben Sie im November 2006 gekündigt. Was waren die Hauptgründe für Ihre Entscheidung?

 

Ich bin immer noch der Überzeugung das die drastischen Sparmaßnahmen, die damals zur Gründung der Stiftung geführt haben, leistbar gewesen wären. Allerdings nicht im bestehenden Status. Es kann aber nur funktionieren, indem man auch Strukturen verändert. Mein Vorschlag dazu ist von vornherein sehr kritisch beurteilt worden und spätestens im Wahlkampf, der der Wiederwahl des Regierenden Bürgermeisters vorausgegangen ist, ist deutlich geworden, dass mir der politische Rückhalt, der dafür nötig gewesen wäre, mit einer tatsächlich noch nicht sehr gewachsenen traditionellen Struktur gut umzugehen und diese zu verändern, gefehlt hat.

 

Daraufhin musste ich sagen, dass ich keinen Sinn in meiner Aufgabe sehe. Ich sah eine Paradoxie, man kann auch sagen Bigotterie darin, auf der einen Seite drastische Sparmaßnahmen einzufordern und zu wissen, dass das nur geht, wenn man Strukturen ändert, und gleichzeitig darauf zu beharren, dass sich möglichst wenig ändert.

 

Kurz nach Ihrer Kündigung im November 2006 sagte Klaus Wowereit: „es sei jetzt an der Zeit, in Ruhe und Gründlichkeit die Berliner Opernlandschaft zu gestalten“. Er ignorierte damit Ihr Konzept zur Neujustierung der Berliner Opernstiftung. Sie sagten damals, die Diskussion Ihres Papiers im Stiftungsrat erfuhr eine „produktive konsensuale Diskussion“. Das lässt den Schluss zu, dass das Konzept dort auf Zustimmung stieß.

 

Zumindest kann man sagen, dass es Mitglieder im Stiftungsrat gab, die unter dem damaligen Eindruck standen, dass die finanzielle und wirtschaftliche Situation so dramatisch ist, dass Strukturen geändert werden müssen und die sich im Stande sahen, meinem konkreten Vorschlag zu folgen. Inzwischen sind viele Stiftungsratsmitglieder nicht mehr dabei, insbesondere der damalige Stiftungsratsvorsitzende. Auch sonst haben sich die politischen Rahmenbedingungen verändert. Nur kann ich bisher nicht spüren, dass das Nachdenken, was der Regierende Bürgermeister angekündigt hat, stattgefunden hat.

 

In ihrem Konzept schlugen Sie die schrittweise Umstrukturierung der Deutschen Oper zu einem Semi-Stagione Betrieb vor, was neben der finanziellen Entlastung ein Schritt in die Richtung der Produktionsweise aller großen Opernhäuser gewesen wäre. Warum entschieden Sie sich mit diesem Modell gerade für die Deutsche Oper?

 

Wir haben drei Opernhäuser in Berlin, die zu wenig differenziert sind. Zwei Häuser sind sich zu ähnlich – für eine Stadt, die zu klein ist. Man vergleicht Berlin zwar gern mit Städten wie Paris oder London, aber allein bevölkerungs- und einkommensmäßig oder bezüglich des Touristenaufkommens ist Berlin eine Kleinstadt im Vergleich zu London und Paris. Wenn man nach London schaut, ist es keineswegs so, dass London zwei Opernhäuser hat, die in der Lage wären, ein Repertoire zu präsentieren, wie es die beiden großen Berliner Opernhäuser tun.

 

Man kann in Zeiten, in denen es gut geht, sagen: Es ist toll, dass wir uns das leisten können. Aber wenn es nicht mehr zu leisten ist, und das ist mit Blick auf die Berliner Wirtschaftslage durchaus nachvollziehbar, dann muss man darüber nachdenken, was man ändern kann.

 

Mir ging es vor allen Dingen um die Differenzierung zwischen den beiden großen Betrieben, die sich zu ähnlich waren – in ihren Zielen, in ihrer Struktur, in ihrem Repertoire und damit auch einen unproduktiven Konkurrenzkampf bestritten haben.  Eine Differenzierung im Opernbetrieb von Berlin wäre enorm wichtig gewesen. Differenzierung kann nach meiner Überzeugung nur einsetzen, indem eines der beiden Häuser vom Repertoirebetrieb, der sehr kosten- und personalintensiv ist, entlastet wird.

 

Natürlich kann es keine Ideallösung geben. Wenn man heute noch einmal den Opernmasterplan für Berlin entwerfen würde, müsste das größte Haus in der Mitte der Stadt liegen. Von der Dimension her wäre es eigentlich besser, wenn das Fassungsvermögen der Deutschen Oper in der Mitte der Stadt liegen würde, wo heute auch der kulturelle Mittelpunkt ist, der größte lokale und internationale Betrieb. Dieser Aspekt, das habe ich einsehen müssen, ist nicht zu schultern. Selbst das größte Haus ist für eine Stadt wie Berlin gar nicht so groß. Andere, auch deutsche Städte, haben auch Opernhäuser, die ähnlich groß sind. Und München hat sogar noch ein zweites Opernhaus, obwohl die Stadt wesentlich kleiner ist.

 

Ich gebe zu, dass auch mein Vorschlag nicht alle Probleme löst. Trotzdem würde ich sagen, dass die Staatsoper, weil sie dort in der Mitte der Stadt liegt, auch Tradition und Erbe deutscher Kultur in besonderem Maße verkörpert: architektonisch, aufgrund der Geschichte des Orchesters, des Opernhauses insgesamt, im Ensemble des historischen Stadtkerns und insofern glaube ich, dass ein Kernstück unserer deutschen Kultur, unserer Opernkultur, in diesem Haus auch verkörpert wird. Das ist das Repertoiretheater, nicht der Stagionebetrieb.

 

Ein modernerer Opernbetrieb kann auch anders aufgebaut werden. Die Deutsche Oper hat in den letzten Jahren viel mehr als die Staatsoper gezeigt, wie schwer es ihr fällt ein Repertoire auf Qualitätsniveau aufrecht zu erhalten. Mir schien bedeutsam, es zugunsten der Qualität zu verschlanken. Wenn man die Besucherstruktur anschaut, ist festzustellen, dass es an der Deutschen Oper eine extreme Ausdünnung im Repertoire gibt. Viele der im Repertoire befindlichen Produktionen werden vom Publikum nicht mehr genügend angenommen. Das trifft insbesondere auf die Neuproduktionen zu. Die Deutsche Oper produziert zwar neue Premieren, aber offensichtlich halten die sich gar nicht. Sie ist also gar kein funktionierender Repertoirebetrieb mehr.

 

In der Staatsoper funktioniert der Repertoirebetrieb. Die Aufführung von Ruth Berghaus „Barbier von Sevilla“ aus dem Jahr 1968 wird beispielsweise immer noch gespielt. Hier kann man tatsächlich noch davon sprechen, dass das, bis zu einem gewissen Grad, lebendig ist. Auch neuere Produktionen fügen sich mühelos in den Repertoirebetrieb ein, was der Deutschen Oper nicht mehr gelingt. Hier wird etwas behauptet, was es effektiv nicht mehr gibt und deshalb wäre es aus meiner Sicht ehrlicher gewesen, die Deutsche Oper von dieser Scheinbehauptung, ein Repertoirebetrieb zu sein, zu entlasten. Gestalten wir es um in etwas, was kreativ ist und die Deutsche Oper auch wieder kreativ werden lässt, weil sie sich darauf konzentrieren kann, für ein aktuelles, großstädtisches Publikum zu produzieren, was man dann kurze Zeit sehen kann.

 

Es sollte ein Semi-Stagione Betrieb sein. Niemand würde der Deutschen Oper verwehren ein erfolgreiches Stück wiederaufzunehmen und länger zu zeigen. Die Behauptung ich hätte eine Abspielbühne geplant, fand ich damals sehr provinziell.

 

Stefan Rosinski forderte im April 2008 noch einmal eine Konzeptdebatte ein und plädierte für die Staatsoper als international vernetzten Stagionebetrieb und die Deutsche Oper als großen Repertoirebetrieb in der deutschen Tradition – ohne dies jedoch genauer auszuführen. Das Personalkarussell der Stiftung dreht sich seit geraumer Zeit, aber niemand diskutiert auch nur ansatzweise über irgendein Konzept. Überfordert ein solcher Vorschlag des radikalen Systemwechsels, wie der Ihre, die Politik?

 

 

Mit Sicherheit. Ich glaube zwar nicht, dass Stefan Rosinski über seinen Vorschlag gestolpert ist. Er ist nie als Generaldirektor eingesetzt worden. Er hat als mein Stellvertreter die Geschäfte weitergeführt. Die Politik hätte sich auch auf den Standpunkt stellen können, dass die Position von mir nachbesetzt wird. Rosinski verlässt ja die Stiftung auch nicht.

 

Ich glaube, es hat nach meinem Austritt niemand mehr, inklusive Medien, versucht, eine inhaltliche Diskussion zu führen. Viele aus Erschöpfung, andere aus Feigheit – insbesondere die Politik.

 

Neben der Umstrukturierung der Deutschen Oper beinhaltete Ihr Konzept die Änderung der Position des Generaldirektors in die eines geschäftsführenden Intendanten, der die wirtschaftliche Gesamtverantwortung für alle Betriebe hat und dem gleichzeitig alle Verwaltungsleiter der Häuser unterstellt sind. Was hätte das, neben der Stärkung der Position des Generaldirektors, für die einzelnen Häuser bedeutet?

 

Ich glaube an das Prinzip der Kunstfreiheit und das es wichtig ist, dass Opernhäuser durch sich selbst betrieben werden. In Zeiten der finanziellen Krise kann das auch eine Augenwischerei sein. Man kann sich nicht einfach nur nach der Kunstfreiheit richten, sondern man muss auch über das Publikum nachdenken, über materielle Ressourcen, die man hat, um überhaupt den Opernbetrieb aufrecht zu erhalten. Sich nur unter ästhetischen und kunstfreiheitlichen Aspekten Oper vorzustellen, geht nicht.

 

Ein geschäftsführender Direktor oder geschäftsführender Intendant hätte das Korrektiv zu einer kunstfreiheitlichen Position der einzelnen Häuser sein können und müssen. Gerade mit dem Blick auf die heutige und die sich sicher noch weiter verschärfende Wirtschaftslage.

 

Es ist auf der einen Seite schön, dass wir Tarifverträge haben, die Politiker daran hindern, von heute auf morgen Opernhäuser zu schließen, auf der anderen Seite wird es sicher trotzdem, sozialpolitisch gesehen, immer schwieriger in dieser Stadt zu vertreten sein, dass es hier drei Opernhäuser gibt. Das ist ein Imageverlust, der pausenlos weitergeht. Dem hätte man nur eine Reform entgegensetzen können, die durch etwas repräsentiert wird. Auch durch eine Person. Deswegen hätte es einer Stärkung des Generaldirektors bedurft, der tatsächlich nicht nur behauptet, sondern auch eine gestaltende und bestimmende Rolle im Opernkonzept ausüben kann. Wie weit das hätte gehen müssen, dafür gibt es genügend Spielregeln, die in anderen kleineren Häusern in Europa und auch im deutschsprachigen Raum funktionieren. Es gibt Staatstheater, wie beispielsweise in Köln, Frankfurt, Mannheim oder Stuttgart, wo es einen geschäftsführenden Intendanten oder Generalintendanten und daneben Schauspieldirektoren, oder manchmal nennen sie sich auch Intendanten, gibt, die mit einer relativen Autonomie ausgestattet sind und die ihren künstlerischen Betrieb führen, ohne dass der Darüberstehende bei jeder Gelegenheit ins Handwerk pfuschen darf. Da gibt es festgelegte Spielregeln und klare Grenzen. Man hätte sehr wohl, auch bei der Stärkung der Kompetenz des Generaldirektors, Spielregeln erfinden können, die die Intendanten keineswegs nur zu Klammeraffen von jemandem macht, der darüber sitzt. Das war der Vorwurf. Es wurde auch immer so dargestellt, als hätte ich mit den anderen Intendanten nicht gekonnt. Das Problem war, dass nie eine substantielle inhaltlich konkrete Auseinandersetzung darüber stattgefunden hat, wie die inhaltliche Kooperation unter diesen Bedingungen hätte aussehen können. Und wie es immer so ist, es geht populistisch zu. Anstatt zu sagen, wir haben eine Teamarbeit, in der es verteilte Rollen und dementsprechend auch geteilte Meinungen gibt, ging man ausschließlich von zwei Möglichkeiten aus: den total Machtlosen oder den alle Macht an sich reißenden Generaldirektor. Beides halte ich für Unsinn. Ich habe in 20 Jahren Theaterarbeit so auch nie funktioniert.

 

Die Reaktionen der Intendanten der Häuser waren einhellig – Homoki forderte sogar die Auflösung der Stiftung, da ihr Konzept dem Stiftungsgedanken, der Staatsferne und Selbstständigkeit widerspräche und sah darin eine Rückentwicklung zu Zentralisierung und Überbürokratisierung.  Ist bei dem wenig/nicht ausgeprägten Problembewusstsein der Intendanten und der Vorteilsnahme für das jeweils eigene Haus eine Stiftungskonstruktion wie diese überhaupt realistisch?

 

Mit all diesen Aussagen haben Sie bestätigt, dass mehr Steuerung notwendig gewesen wäre. Übrigens auch, um solche Aussagen zu verhindern. In jeder anderen Firma hätte es scharfe Konsequenzen für denjenigen gehabt, der sich so äußert. Kunstfreiheit hin oder her – Beschädigungen der Institution, in der man selbst dem Vorstand angehört, sind eine unsägliche Geschichte, die man so auch nicht durchgehen lassen dürfte.

 

Das gehört für mich auch zu den sehr peinlichen Seiten der Erfahrung in Berlin, dass nichts zu irgendwelchen Konsequenzen führte. Erstaunlicherweise hat sich das offensichtlich etwas geändert. Es sind in letzter Zeit ja einige Personalentscheidungen getroffen wurden, die andeuten, dass es möglich ist, auch mal Zähne zu zeigen. Ob das immer an der richtigen Stelle passiert ist, weiß ich nicht. So genau habe ich es nicht verfolgt. Aber, angefangen beim Stiftungsrat, müsste man einen wesentlich höheren Ethos verlangen.

 

Gibt es unter den jetzigen Bedingungen überhaupt eine reelle Chance ohne einen Generalintendanten?

 

So lange die Konstellationen so sind wie sie sind, hätte auch ein Generalintendant wenig Aussicht. Man sucht nach ihm auch gar nicht. Es gibt ja eine Korrespondenz zwischen dem Mangel der Entscheidung und dem Mangel an Entscheidungsträgern. Es gibt niemanden, der die Verantwortung für eine solche Entscheidung übernehmen möchte und man glaubt immer noch, man könne das Problem weiter aussitzen. Das ist natürlich die Praxis mit der wir viele Dinge in unserer Gesellschaft handhaben. Zwischendurch passieren uns solche Dinge wie die Finanzkrise. Ich weiß nicht, wann die Opernkrise sich so dramatisch zuspitzen wird, dass eine Veränderung passieren muss. Dass sie kommen wird, davon bin ich fest überzeugt. Und deswegen bin ich auch nach wie vor relativ gelassen in Bezug auf mein eigenes Konzept. Die Tatsache, dass bisher noch kein anderer etwas vorgelegt hat, erweckt den Eindruck, dass es gar nicht so viele Alternativen gibt. Wenn die Not am größten ist, wird man möglicherweise auch darauf wieder zurückkommen.

 

Würde sich nicht gerade die Stiftung als Plattform für die kulturpolitische Debatte anbieten?

 

Das kann ich für Deutschland nicht genügend einschätzen. In anderen Ländern, wie beispielsweise den USA oder in England, wird die Finanzkrise zu radikalen Veränderungen in vielen Bereichen der Gesellschaft führen. Wir spüren das ja heute schon. Möglicherweise wird manches später auch als eine enorm wichtige Entscheidung erkannt werden und zu einer Reform in einem bestimmten Bereich führen, der diese Reform schon länger gebraucht hätte, nur dass bisher niemand den Mut dazu hatte. Ich glaube auch, dass diese schwindenden Sicherheiten, in denen wir uns bewegen, die Leute zu mehr Risikofreudigkeit animiert, möglicherweise auch die Politik. Es ist übrigens auch leichter, in solchen Zeiten unangenehme Entscheidungen zu treffen, weil jeder es leichter versteht. Es ist erstaunlich, dass zum Beispiel die Flugbegleiter bei der Lufthansa 15% Lohnerhöhung verlangen können und Warnstreiks initiieren. Ich weiß, was Flugbegleiter für Löhne haben, das macht es umso erstaunlicher. Vielleicht ist Deutschland auch immer noch auf einem anderen Stern und das Bewusstsein noch nicht genügend ausgeprägt, dass wir in einer sehr schwierigen und gefährlichen Zeit leben und bereit sein müssen, Opfer zu bringen. Aber ich glaube, der Zeitpunkt wird zumindest für die Opern früher oder später erreicht werden und dann werden wir sehen, ob die Politiker mehr Mut haben als bisher.

 

Wowereit erweckt mit seinen Äußerungen und Handlungen den Anschein, als  sei Opernpolitik in Berlin rein machtpolitisch orientiert.  Könnte man sagen, dass Opernpolitik in der Schweiz, bei aller Unterschiedlichkeit der Häuser und deren Finanzierung, eher konzeptorientiert ist?

 

Die Schweiz funktioniert als Land und als Gesellschaft grundsätzlich anders, die Politik spielt eine andere Rolle. Repräsentative Politik spielt eine untergeordnete Rolle. Kommunale oder basisorientierte Politik spielt eine größere Rolle als in Deutschland. Dementsprechend funktioniert einerseits auch die Einbindung der Beteiligten sehr viel intensiver. Sowohl der Theaterleute als auch ihrer Befürworter und Gegner. Und andererseits gibt es durch die Langfristigkeit der Entscheidungen mehr Möglichkeiten zur Gestaltung. Mit der Opernstiftung hätte man so etwas eigentlich probieren können. In mancherlei Hinsicht war die Opernstiftung ein Modell, was ich aus der Schweizer Zeit kannte: Langfristige Verträge mit klaren Zielen, was, zumindest wirtschaftlich, in diesem Betrieb hätte passieren können. So haben wir auch in Basel gearbeitet. Es gab 5-jährige Subventionsverträge, die auch dadurch, dass sie so langfristig waren, selbst wenn Einsparungen vorgesehen wurden, zumindest die Möglichkeit eingeräumt haben, sich über einen längeren Prozess darauf einzulassen – nicht von heute auf morgen, was ja leider in der deutschen Politik bisher immer gang und gäbe gewesen ist. Von Jahr zu Jahr hat das Parlament über den Haushalt entschieden und damit auch über den Haushalt eines Opernhauses, was aber im Grunde genommen schon zwei Jahre weiter ist mit seiner Planung und damit auch der finanziellen Planung.

 

Die Oper läuft immer Gefahr zum Instrument von Machtpolitik zu werden. Offensichtlich ist diese Strukturform sehr attraktiv und repräsentativ für Machtspiele. Das sieht man auch ganz deutlich in Berlin und lässt sich nur schwer ändern. Trotzdem meine ich, dass überall, auch in der Schweiz, Personalpolitik sehr stark von den wirtschaftlichen Bedingungen abhängt und Konzepte eigentlich nur dann wirklich gefragt sind, wenn es schwierig ist. In Zeiten, wo es keine Probleme gibt, erwartet man heute Medialität und Prominenz, früher hätte man wahrscheinlich gesagt, man erwartet Ruhe und Qualität. Im Lichte dieser Einschätzung, scheint es in Berlin noch immer sehr ruhig zuzugehen, weil die letzten Entscheidungen auf Medialität und Prominenz und nicht auf Konzepte ausgerichtet gewesen sind, deswegen auch meine große Skepsis, dass in der jetzigen Besetzung des Stiftungsrates irgendwelche Veränderungen oder auch nur Problembewusstsein entsteht.

 

Als Sie 1996 Ihr Amt in Basel antraten, haben Sie das Haus radikal verändert, der Rückgang der Zuschauerzahl auf 59 Prozent im Jahr 2004 wurde Ihnen in Berlin gleich zu Beginn ihrer Amtszeit vorgehalten. Wird hier zu sehr im finanziellen Rahmen gedacht und der Mehrwert der Kunstproduktion ignoriert – schließlich wurde das Theater Basel auch Theater des Jahres?

 

Man steht ja immer im Spannungsfeld von Zuschauerzahlen, Erfolg und Qualität. Was ist überhaupt Erfolgstheater? Schwer zu beurteilen. Die Zuschauerzahlen sind bereits vor meiner Zeit sehr stark gesunken. Im Jahr 1982 hatte das Baseler Theater noch 300.000 Zuschauer und 1995, ein Jahr bevor ich anfing, 210.000 Zuschauer. Als ich aufhörte, zehn Jahre später, waren es 170.000 Zuschauer. Ich will mich nicht reinwaschen, aber in den zehn Jahren, bevor ich kam, hat das Theater ein Drittel seiner Zuschauer verloren, in den Jahren, in denen ich dort war, zwölf Prozent. Und das mit ungefähr 20% weniger Subventionen, während in der Zeit vorher die Subventionen stetig gestiegen sind. Es ist richtig, wir hatten eine schlechtere Auslastung als meine Vorgänger. Das war zum Teil das Resultat einer sehr ambitionierten Veränderung des Programms, insbesondere im Bereich der Oper. Aber der entscheidende Grund ist die Veränderung der Stadt insgesamt. Ich würde mir auch heute nicht mehr zutrauen, selbst  mit einem wesentlich konventionelleren Programm, zu den Zuschauerzahlen zurückzukehren, die es vor 15 Jahren gab. Vor allem deswegen nicht, weil sich die städtische Gesellschaft auch in Basel sehr stark verändert hat. Es gibt viele Menschen, die dem Theater ferner stehen. Die Stadt ist geschrumpft, es leben weniger Menschen und viel mehr Ausländer in Basel als vor 20 Jahren. Es ist eine neue Generation herangewachsen, die sich punktuell für Theater interessiert, aber für bestimmte Theaterformen nicht in dem Maße, wie das größere Bevölkerungsschichten früher getan haben. Darüber hinaus sind in Basel zwei große Theater entstanden. Das sogenannte Musical-Theater, das ein Jahr bevor ich angefangen habe eröffnet wurde, mit zusätzlich 1500 Plätzen. Damit wurde ein riesiges kommerzielles Loch in den öffentlichen Raum von Basel geschlagen, wo sehr bald angefangen wurde, Oper zu spielen. Dort wurden sehr viele kommerzielle Opern- und Operettenaufführungen gezeigt und natürlich gibt es Überlappungen.

 

Heute muss man in der Freizeitgesellschaft manchmal auch mit Tennisveranstaltungen usw. konkurrieren. Die Freizeitgesellschaft diversifiziert. Der Operngänger geht auch zu ganz anderen Veranstaltungen und muss sich entscheiden. Das Theater befindet sich im Wettbewerb mit kunstferneren Angeboten, die auch in Basel ständig zugenommen haben. Das Gebäude des Baseler Theaters, in den 60er, 70er Jahren konzipiert, repräsentiert heute nicht mehr den öffentlichen Bedarf an Theater und Musik der öffentlichen Gesellschaft. Wir bräuchten heute wahrscheinlich kleinere Räume, selbst für ein konventionelleres Haus. Ich gebe aber zu, dass ein Teil des Problems sicherlich unsere Ambitioniertheit gewesen ist. Wahrscheinlich hätte man mit mehr Konvention auf über 70 Prozent Zuschauer kommen können.

 

In Ihrem Buch „Zauber des Westens“ schreiben Sie vom Kulturkampf der losbrach –  vereinfacht gesagt: Innovation gegen Zerstörung. Wie gewinnt man ein Publikum, das Theater hauptsächlich als kulinarische Vergnügung betrachtet?

 

Ich glaube, dass es immer um die Dosis geht. Gerade am Anfang hat man eher die Chance wehzutun, weil man gewisse Standards setzt und sich in eine Gesellschaft deutlicher einführt. Es ist manchmal schwer unangenehme Entscheidungen zu treffen, wenn man bereits ein Jahr an einem Haus ist, weil man selbst schon zu sehr in eine Struktur eingewachsen ist, dass man nicht mehr so unabhängig operieren kann wie am Anfang. Ich musste wegen geforderter Einsparungen Einschnitte machen, Strukturen verändern. Ich hatte ja vorher 1,5 Jahre Zeit, das ist das Gute am Theater, mir das Geschehen anzuschauen, bevor ich Entscheidungen treffen musste.

 

Die Dosis mischt sich in dem Moment neu, wenn man angefangen hat und das Publikum in Form von Aufführungen direkt anspricht. In meiner ersten Opernspielzeit, die mit einer grandiosen „Elektra“ von Andreas Homoki eröffnet wurde, haben wir mit sehr ungewöhnlichen Sachen begonnen, wie beispielsweise Nigel Lowerys „Hänsel und Gretel“, wo die Opernwelt in Basel über Wochen Kopf stand und einer Inszenierung von „Figaros Hochzeit“ von Leander Haußmann, die für damalige Verhältnisse außerordentlich oppulent, schön und in gewisser Weise auch kitschig war. Das war von Haußmann auch so gedacht und war ein Riesenerfolg, 23x ausverkauft. Ein Publikum ist, in vielen Städten, durchaus bereit mit Provokationen und Ungewöhnlichem umzugehen, wenn es nicht das Ausschließliche oder Vorherrschende ist. Ich weiß, dass manchmal eine Inszenierung ein ganzes Theater prägen kann. Bieto hat so etwas an der Komischen Oper ausgelöst. Das kommt manchmal vor und ist manchmal auch völlig unberechtigt. Heute sieht es jeder gelassen und sagt es war richtig und toll. Damals hat die Theaterleitung immer wieder den Kopf geschüttelt und gefragt, warum legen die uns auf eine einzige Aufführung fest, wo wir daneben viele kulinarische Sachen haben mit denen jedermann zufrieden ist. Es ist manchmal schwer deutlich zu machen, dass man in einem Mix arbeitet und versucht ein Portfolio von verschiedenen Angeboten zu machen. Ich glaube aber, dass es nicht anders geht. Wenn man es langfristig macht, wie die Komische Oper, und sich nicht einfach von heute auf morgen beirren lässt und möglicherweise umkippt und nur noch das Kulinarische macht. Das man sowohl dem Menschen, der nach Unterhaltung fragt gerecht wird und gleichzeitig auch ambitionierte Aufführungen hat. Zumindest in einem Betrieb, der alle ansprechen muss. Die Komische Oper hatte das nicht nötig. Wir in Basel mussten das, weil wir für alle dasein mussten.

 

Sie bezeichneten das „Konzept“ des Opernhauses Zürich als „Tempel des veredelten Tönens ohne Störungen durch die Regie“ und kritisierten zugleich den außergewöhnlich hohen Grad der privaten Finanzierung. Ist nicht davon auszugehen, dass sich dieser Trend in Zukunft noch verstärken wird, oder könnte mit der Entscheidung für einen Künstlerintendanten ein Kontrapunkt gesetzt werden?

 

Ich habe an Zuerich nicht den hohen Grad privater Finanzierung, sondern die daraus wachsenden Konsequenzen kritisiert. Zuerich hat das private Geld nur aufgrund von extrem hoehen staatlichen Zuschuessen bekommen – und darueber gern geschwiegen. Diese Subventionen waren aber der Speck, mit dem private Maeuse gefangen wurden. Und dafuer, dass der Anteil der privaten Zuschuesse immer noch unter 20 Prozent lag, ist dann aber ein sehr bourgeoises Programm gemacht worden. Und das ist ein Trend, den man auch in anderen Staedten beobachten kann.

 

Man kann sich auch darüber streiten, wie erfolgreich das war, was Gérard Mortier in Paris gemacht hat. Ich habe viele Freunde in Paris, die sehr ungerecht über bestimmte Aufführungen sprechen. Das kann nur daran liegen, dass das, was an Neuanfang passiert ist, nicht gut vermittelt worden ist. Umgekehrt ist es Mortier in Salzburg sehr gut gelungen.

 

Ich glaube auch, dass es uns in Basel am Ende ganz gut gelungen ist – auch wenn die Zuschauerzahlen nicht besonders gut waren. Ich habe das am Abschied gemerkt und an der Art, wie man mir heute noch in Basel begegnet (und nicht nur mir), das es gut war, wie wir vorgegangen sind, bei allen Fehlern, die ich gemacht haben.

 

Aber insbesondere der deutschsprachige Raum ist von diesem Virus noch nicht ergriffen. Es gibt sicherlich Städte, insbesondere München, wo schon in diese Richtung gearbeitet werden musste. Einerseits weil der Druck so groß war, auch aus der Politik. München ist ein extrem gut ausgelastetes Haus auf hoher Qualität. Die letzten Jahre von Peter Jonas sind dafür kritisiert worden, dass es immer banaler auf der Bühne zugegangen ist. Jetzt geht es ambitionierter zu. Das Haus scheint weiterhin voll zu sein. Möglicherweise funktioniert es weiterhin. Ich kann das aber noch nicht beurteilen, es liegen ja noch keine wirklichen Zahlen vor. Das wäre ein schönes, auch überzeugendes Gegenbeispiel.

 

Insgesamt sind wir trotzdem durch die nach wie vor extrem hohen Subventionen in unserem Land gesichert davor, uns so verkaufen zu müssen, wie das andernorts der Fall ist. Oder in einigen Fällen, wie in Zürich, auch herausgefordert wurde. Das Züricher Opernhaus unter Pereira hat aktiv den Weg mit dem Ziel eingeschlagen, paradigmatisch ein anderes Opernmodell zu behaupten. Das ist auch der Grund, warum ich das immer wieder zur Zielscheibe gemacht habe, weil ich im Umkehrschluss regelmäßig  vorgeworfen bekam, dass das dort hervorragend geht und warum man das in Basel nicht genauso macht, obwohl Zürich, auch durch die Spezifik der Stadt, ein Alleinstellungsphänomen ist, das man in keiner anderen deutschsprachigen Stadt so umsetzen könnte. Was mich gestört hat ist, dass es auch immer wieder von der Hausleitung selbst als ein Paradebeispiel für etwas vorgeführt wurde, was man angeblich auch woanders machen könnte. Dem ist nicht so. Es gibt ja auch Gründe, warum Herr Pereira, so erfolgreich er ist, seit 15 Jahren an kein anderes Haus gewechselt ist, weil er nirgendwo anders so arbeiten könnte. Nirgendwo. Weder in der Scala noch in Wien, noch in Salzburg hätte er diesen Spielraum. Deshalb muss man das sehr skeptisch sehen. Wenn man im Zuge der Finanzkrise im angelsächsischen Raum auf Häuser schaut, die nach dem Prinzip Zürich funktionieren oder noch radikaler in dieser Richtung sind, dann sieht man wie massiv es bröckelt. Alle diese Häuser haben schlechteste Zuschauerzahlen und massiv schwindende Einnahmen und Dritteinnahmen, von denen sie maßgeblich abhängen. Das trifft dort auch genauso auf den Museumsbereich zu. Wir sind etwas langweilig im deutschsprachigen Raum. Wenn es gut geht, sind wir nicht alle superreich und schmeißen mit der Kohle nicht so um uns, wie es dort der Fall ist, aber wenn es schlecht geht, generieren wir auch nicht schreckliches Elend. Wir sind immer noch nach oben und unten einigermaßen gesichert.

 

Man braucht wahrscheinlich beides. Es braucht diese Radikalität, die Opernhäuser zwingt, kommerziell zu denken, und es braucht auch die bürgerliche Stabilität, die wir durch unsere Stadt- und Staatstheater haben.

 

Wenn Sie Ihre Erfahrungen mit der Kulturpolitik in Deutschland und der Schweiz vergleichen, wie fällt Ihr persönliches Fazit aus?

 

Einmal war ich als Vertreter aus Basel bei einem kulturpolitischen Kongress der Ebert-Stiftung eingeladen. Da saßen mehrere hundert Menschen, die offensichtlich in der Kulturpolitik beschäftigt waren. Mein erstes Statement war, dass dieser Kongress in Basel so nicht stattfinden könnte. Es gäbe gar nicht so viele Menschen, die kulturpolitisch tätig sind. Eigentlich gibt es in der Schweiz gar keine Kulturpolitik. Es gibt ab und zu eine Krise, dann merkt man, man müsste Kulturpolitik machen. Aber wenn die Theater arbeiten, gibt es keine Kulturpolitik. Ich habe im Grunde mit dem zuständigen Kulturpolitiker in Basel über die zehn Jahre nichts zu tun gehabt. Obwohl wir zum Teil massive Auseinandersetzungen über unser Programm, über die Finanzen, über ein neues Theater, am Ende über meine Person. Man kann sagen, das war alles Politik. Aber Kulturpolitik in dem Sinne, wie wir Kulturpolitik begreifen, so dass sich Kulturausschüsse und andere Gremien mit einer bestimmten Stetigkeit, oftmals nur scheinbar, mit der Sache beschäftigen, so etwas gibt es in der Schweiz nicht. Dafür hätte man in der Schweiz einfach keine Zeit.

 

Es gibt auch in der Schweiz Parlamente, die selbst in kleineren Städten wie Basel enorme Entscheidungen über das städtische Gemeinwesen treffen, insofern sind Basel und Berlin vergleichbar in Bezug auf ihre politische Entscheidungsfähigkeit. Trotzdem gibt es eine vornehme Zurückhaltung, besonders, wenn es um die Kultur geht. Alles in allem halte ich das für sehr gelungen. Man kann es trotzdem nicht kopieren, weil die Deutschen anders funktionieren. Unsere Demokratie ist eine andere. Jeder hat wahrscheinlich die Demokratie, die er verdient. Ich finde, dass die Schweizer eine extrem gut funktionierende Demokratie haben. Die trainieren sie allerdings auch schon seit 700 Jahren und wir haben sie ja erst seit über 60 Jahren, vom Osten des Landes zu schweigen.

 

Die Diskussion um die mögliche Übernahme der Staatsoper durch den Bund und deren Sanierung zeigt (bei allem pro und contra für die diversen Positionen), dass die Opern in Berlin nicht als nationales Projekt definiert werden. Dienten sie vor der Wiedervereinigung noch als Repräsentationsobjekte der zwei deutschen Staaten, so kann vom Opernhaus als Repräsentationsobjekt heute keine Rede mehr sein. Warum bleibt Deutschland hinter Staaten wie Dänemark, Norwegen oder Frankreich, die Ihre Opernhäuser auch als nationale Symbole begreifen, zurück?

 

Aus meiner Dubai-Sicht muss man sagen, dass Deutschland in der Welt vor allem für seine Autos, für seine Wertarbeit, aber nicht für seine Kultur bekannt ist. Das hat viel mit uns Deutschen zu tun. Es gab lange Zeit nach dem zweiten Weltkrieg großes Unbehagen bei der Vorstellung, es könne eine Nationalkultur oder eine deutsche Kultur geben. Dieses Unbehagen korrespondiert mit einer Wahrnehmung weltweit. Deutsche Kultur gibt es eigentlich kaum. Der Grund dafür ist, das sich heute so etwas vor allem über den Transmissionsriemen, von dem was wir hier „Leuchttürme“ oder weltweit „Brands“ nennen, definiert. Paris ist der Eifelturm und der Louvre, London ist das British Museum, der Dome, Piccadilly usw. Wir kennen alle diese „Brands“. Selbst die Italiener haben mit der „Scala“ solch einen „Brand“. Deutschland hat das nicht. Auch die Berliner Philharmoniker oder irgendein Opernhaus sind keine Größen in einem internationalen Zusammenhang. Viele dieser „Brands“ sind entstanden, weil sie in Städten stehen, die touristisch attraktiv sind. In Deutschland gibt es keinen wirklich großen Tourismus – auch wenn das die Berliner immer anders sehen und meinen, sie hätten hier so wahnsinnig viele Touristen. Auf der Liste der weltweit 50 führenden Städte kommt keine deutsche Stadt vor. Dubai steht übrigens auf Platz fünf. Nun kann man die Zahlen so oder so sehen, aber London ist mit Abstand die Nr. 1, Paris ist die Nr. 2 und wir wissen das auch, wir waren ja alle schon da. Es waren auch viele Leute von dort schon hier und es werden immer mehr, gerade in der Kulturszene, aber das ist niemals vergleichbar mit den Exodussen, die umgekehrt vorkommen. Mit anderen Worten: Die deutsche Kultur oder ihre Institutionen sind weniger bekannt und wir haben uns auch immer gescheut, sie zu einem Instrument repräsentativer Politik zu machen. Das hat viel mit dem Dritten Reich und den Folgen zu tun. Es haben sich andere Herrscher, wie übrigens auch in anderen Ländern, diese Instrumente angeeignet. Weil es bei uns leider auch die schlimmsten Herrscher gewesen sind, zuckt jeder heutige davor zurück. Wir können dahin nicht zurück. Wir müssen akzeptieren, dass wir diese „Brands“ nicht haben und dass wir sie auch nicht neu generieren können. Dafür hat der Förderalismus einen Reichtum in der Breite geschaffen, den kein anderes Land auf der Welt hat und darüber hinaus haben wir eine handwerkliche und qualitative Dichte, um die uns jeder beneidet.

 

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