Michael Schindhelm | ROBERTO HAT GLUECK IN DUBAI

Roberto hat Glueck in Dubai

Roberto hat einst als Gruppentaenzer in einem deutschen Stadttheater getanzt. Er war nie ein grosses Talent, klein und gedrungen und mit ziemlich starken O-Beinen, aber fuer die Gruppe in der Provinz hat es gereicht. Irgendwann hat er auch auf einer Buehne gestanden, fuer deren Programm ich zustaendig war. Vor ungefaehr fuenfzehn Jahren hat er umgesattelt, fuer Clubs in den USA choreografiert, spaeter sein eigenes Unterhaltungsgeschaeft aufgemacht und irgendwann einen guten Exklusivvertrag mit einem Casinobetreiber abgeschlossen, der ihm eine Menge Geld und Beziehungen in der Welt des Showbiz eingebracht hatte. Roberto kam vor inzwischen etlichen Monaten in der Stadt. Geschichten wie die mit ihm haben sich in dieser Zeit oft zugetragen. Geschichten der Krise.

Ein (regierungsnaher) Bauunternehmer hatte ihn eingeladen, es ginge um die Uebernahme von fuenf Theatern auf The Palm und um einen in Planung befindlichen Themenpark in der Wueste. Mein alter Kollege lud mich zum Abendessen in die Skybar des Burj Al Arab. Hier, auf zweihundert Metern Hoehe, direkt ueber dem Meer, umgehen von menschengrossen Orchideenmonstern auf pseudoorientalischen Potageren mit Blattgold, knallbunten Popartmoebeln und Muranoleuchtern, die derart schwer von der Decke haengen, dass ich unwilkuerlich den Kopf einzog, benachbart von zu lauten Menschen aus aller Welt, die vor allem gekommen waren, um zu zeigen, wie einfach es ist, fuer einen Drink fuenfhundert Dollar auszugeben, sass Roberto auf einer Ottomane und winkte mir zu. Ich sah schon an seiner Koerperhaltung, er ist in die Breite gegangen. Aber das passiert ja oft bei Taenzern, sobald sie dem Drill des Trainings entronnen sind. Ihm gegenueber hatten sein Cousin Paolo und dessen Frau Angela Platz genommen, liebe Verwandte aus Amalfi, ohne die Roberto nicht mehr verreiste, und Roberto verreiste viel. Diese Leute waren eine sympathische Antwort auf das Tamtam ringsherum. Angezogen wie einfache Leute aus der Provinz Napoli, mit einem unechten Goldkettchen und –uehrchen am Handgelenk, pomadisierter Haartolle, ausgetretenen Sandalen, schuettelten sie mir kraeftig die Hand, rollten das R, als koennten sie sich ohne nicht verstaendlich machen, und lachten gern und laut ueber ihre eigenen Beobachtungen.

Roberto baute einen Theaterkomplex in Macau und schimpfte jetzt ueber die Chinesen, die keine Arbeiter vom Mutterland auf seine Baustelle liessen. Ansonsten schien er in ausgelassener Stimmung zu sein. Seine kanadisch-koreanische Frau wolle zu ihm zurueckkehren, das habe sie gestern Angela am Telefon versprochen. Ausserdem habe der Scheich (er meint den Praesidenten des hiesigen Bauunternehmens) sie alle drei heute morgen zu einem Helicopterflug eingeladen, um ihnen die Entwicklung der Stadt aus der Luft zeigen. Roberto war offensichtlich beeindruckt. Ich fuehlte mich ein bisschen im Zwiespalt: Zum einen wollte ich ihm nicht die Begeisterung rauben, sondern ihn ermutigen, sich hier zu etablieren, denn die Stadt konnte aufgeweckte Figuren wie ihn gut gebrauchen, zum anderen wusste ich, dass er auf keinem der Bauprojekte der einzige Showanbieter sein wuerde. Ich tastete mich vorsichtig an die Sache heran, waehrend wir zu Saltimbocca einen guten Nebbiolo tranken und eine afrikanische Band auf der kleinen Buehne neben der Bar Aufstellung genommen hatte und ein bisschen schwindsuechtige Sambarhythmen in den Saal hauchte. Nein, von den Wettbewerbern hatte mein Gastgeber nichts gewusst. Im Gegenteil, man hatte ihm Exklusivitaet zugesichert (wenn auch nur muendlich). Ich gab zu bedenken, die Namen der Konkurrenten haetten sogar in der Zeitung gestanden. Als ich sie ihm nannte, blieben Robertos Augen zum ersten Mal stehen. Dann sagte er etwas in seiner Heimatsprache, das fuer Araber im allgemeinen nicht sehr vorteilhaft ausfiel.

Um es gut zu machen, schlug ich ihm vor, ich koenne mich genauer erkundigen. Aber die Stimmung war umgeschlagen. Paolo hoerte nicht mehr zu und telefonierte mit ihrem Anwalt. Roberto sagte mir, er sei furchtbar muede und wolle endlich zurueck nach Amalfi. Fuenf Wochen sei er nicht mehr zu Hause gewesen. Zwanzig Minuten spaeter fuhren wir in einem Goldkaefiglift hinab zur Lobby des Hotels. Begleitet wurden wir auf der Fahrt von einer sicherlich achtzigjaehrigen Amerikanerin, die einen Panamahut trug, auf dessen breiter Krempe sich ein Papagei aus Samt niedergelassen hatte. Draussen warteten sinnigerweise zwei weisse Rolls Royce auf den Besuch aus Amalfi. Die drei netten Menschen aus der Provinz Neapel waren den ganzen Tag mit den Limousinen herumchauffiert worden. Roberto winkte mir noch einmal zu, bevor er unter den neugierigen Augen einer Gruppe von Touristen den Wagen bestieg. Ja, er wuerde mich wissen lassen, wenn er meine Hilfe brauche. Ich sah ihn davonrollen und stiess mich einen Augenblick an der Frage, was ich eigentlich falsch gemacht hatte, dass noch niemand in dieser Stadt auf die Idee gekommen war, mich von einem Helicopter oder einem Rolls Royce aus mit der Stadt vertraut zu machen.

Schon am naechsten Tag meldete sich Roberto noch einmal. Er habe in Macau genug Aerger und wolle keinen neuen im Mittleren Osten. Deshalb habe er von seinem Ruecktrittsrecht innerhalb von vierundzwanzig Stunden Gebrauch gemacht. Vielleicht wuerde ja noch etwas draus, warf ich ein, wenn man neu verhandle..? Aber Roberto wollte davon nichts wissen. Ich haette ihm einen grossen Gefallen getan. Und morgen wuerde er an einem anderen Golf seine kanadisch-koreanische Frau in die Arme schliessen.

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