Michael Schindhelm | DAS WUNDERSAME LEBEN DES WALTER SPIES (DOKUMENTARFILM IN PRODUKTION)

DAS WUNDERSAME LEBEN DES WALTER SPIES (Dokumentarfilm in Produktion)

DAS WUNDERSAME LEBEN DES WALTER SPIES (Dokumentarfilm in Produktion)

DAS WUNDERSAME LEBEN DES WALTER SPIES

 

Walter Spies war der erste europäische Künstler, der sich vor fast 100 Jahre auf Bali niederließ. Ein spektakuläres Leben, von den Balinesen bis heute verehrt, von den Deutschen vergessen.

Geboren im vorrevolutionären Moskau als Spross einer großbürgerlichen russisch-deutschen Familie entwickelte Spies früh außerordentliches Talent in Kunst und Musik. Das unbeschwerte Leben endete jäh mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Auf abenteuerlichen Wegen gelangte er schließlich nach Berlin.

Das Berlin der 20er Jahre war ein Sammelbecken von einflussreichen Künstlern. Die Grenzen zwischen Kunst und Leben verwischten sich. Spies bekannte sich sich offen zu seiner Homosexualität. Obwohl in Deutschland von gesetzlicher Strafe bedroht, schaffte er es rasch ins Herz der künstlerischen und sozialen Avantgarde. Der berühmte Filmemacher Friederich Murnau wurde zu seiner großen Liebe. Spies wirkte bei der Realisierung von Nosferatu mit.
Doch selbst das liberale Berlin der 20er gab ihm nicht die Freiheit, nach der er strebte. Während die meisten seiner Zeitgenossen bald entweder vor dem Nationalsozialismus flohen oder mit ihm sympathisierten, betrat Spies im Oktober 1923 ein Cargoschiff und verließ Deutschland für immer.

Wenige Jahre später entdeckt er das geheime Paradies von Bali. Seine Offenheit und Neugier den Einheimischen gegenueber machen ihn bald populär, er schart die lokalen Kuenstler um sich. Seine Geschichte spricht sich im Westen herum. Charlie Chaplin und andere Größen besuchen ihn und erwerben seine Kunstwerke, die entfernt an Henri Rousseau erinnern. Spies hat den Surrealismus in die Tropen gebracht.

Erstaunlicherweise ist seine Geschichte im Film noch nie ausführlich erzählt worden. Meine verschiedenen Besuche auf Bali und Java haben mich davon überzeugt, dass dieses außergewöhnliche Leben vor allem heute erzählenswert ist, weil es die üblichen Stereotypen des Kolonialismus und Postkolonialismus in der Kultur auf den Kopf stellt: Spies hat – nach deren eigener Aussage – die Balinesen und Javaner nicht ausgebeutet – sondern sich von ihnen zu einem völlig neuen Stil in Leben und Kunst inspirieren lassen und zugleich die balinesische Kunst für die Moderne geöffnet. Balis weltberühmter und mystischer KECAK-Tanz zB ist von Spies gemeinsam mit dem balinesischen Tänzer Limbak entwickelt worden.

Die Spurensuche durch die abenteuerliche Kulturlandschaft Balis hat mich zu jenen Künstlern geführt, die das Erbe von Spies bis heute am Leben erhalten. Dewa Ayu Eka Putri aus Ubud gehört zu den talentiertesten Tänzerinnen ihrer Generation, die mit den Freunden und Verwandten im Çudamani-Ensemble in den lokalen Tempeln auftritt.

Wayan Dibia, der „Guru“ des balinesischen Maskentheaters, hat 2012 gemeinsam mit Dewayus Onkel, dem Komponisten Dewa Berata, ein Stück über Walter Spies‘ Leben auf Bali aufgeführt, in dem auch Berühmtheiten wie Chaplin oder Margaret Mead in Szene gesetzt werden.

Anak Agung Gede Rai ist seit vielen Jahren Vorsitzender der Walter Spies Gesellschaft auf Bali. Das von ihm vor gut zwanzig Jahren gegründete Museum widmet sich der balinesischen Gegenwartskunst, zugleich jedoch auch dem Werk von Spies.

Unser Plan besteht darin, dieses Maskentheater im Sommer 2019 für das Bali Festival wieder aufzunehmen. Die Balinesen werden damit die Möglichkeit bekommen, ihre Version von der außergewöhnlichen Geschichte eines weißen Künstlers auf der einst noch unberührten Insel in Interviews und durch die Tanzaufführung selbst zu erzählen.
Im Januar 1942 versenkte ein japanischer Kampfflieger vor Sumatra ein Gefangenenschiff, mit dem auch Spies untergeht. Der Künstler in der Fremde, der tragisch in die deutsche Katastrophe des Zwanzigsten Jahrhundert hineingerissen wird, findet im Herz der Tropen seine Bestimmung, die über sein kurzes Leben hinausreicht.

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