Der Stararchitekt
Es waren einmal Palladio oder Schinkel. Heute haben wir den Stararchitekten. Er führt in seiner Branche die Charts an, betreibt Büros und Baustellen in den großen Städten der Welt, beschäftigt Hundertschaften von Nachwuchspersonal und ist berühmt für seine spektakulären, die Physik provozierenden Entwürfe, egal, ob sie verwirklicht werden, oft sogar, weil sie es nicht werden. Seine Produkte sind sexy. Sie gelten als Landmarken und Ikonen, deren ausgefallene Formen jedes Bauherrenherzen höher schlagen und jedes Kritikerwort ersterben lassen. Am liebsten entwirft er Kunstbauten wie die Guggenheim in Bilbao. Dann kommen die Leute aus aller Welt, nicht wegen der Kunst, sondern wegen der Ikone. Der Stararchitekt ist der Marketier der Tourismusbranche. Seine Klienten wollen keine Kultur, sondern zahlende Massen. Weil zahlende Massen so beliebt sind, entstehen nun überall auf der Welt ausgefallene Ikonen, bis sie gar nicht mehr so ausgefallen sind, sondern Kopien des schnellen Erfolgs. Was unter den eleganten Luxushüllen so im einzelnen stattfindet, ist oft nicht mehr spektakulär. Die Entwürfe von Stararchitekten kosten viel Geld. Für die Kunst bleibt da nur Tralala. Im südchinesischen Guangzhou wurde gerade ein schönes Opernhaus eröffnet. Man arbeitet bereits an einer Mandarin-Version von Mamma Mia. Das ist nicht Kernrepertoire, verspricht aber zahlende Massen. Die Alternative zu diesen unschönen Tendenzen bietet Berlins Schlossprojekt: Man engagiert keinen Starchitekten und fängt gar nicht erst an zu bauen. Sexy ist man schon.
Dieser Text wurde in Focus veröffentlicht.