Ein einziges Zuhören
Mein iPod, auf „Shuffle Songs“-Funktion eingestellt, bietet mir eine unvorhersehbare Folge aus den 11.543 Musikstücken an, die auf ihm gespeichert sind: Running Wild, Tindersticks; Ino-Kantate, Gundula Janowitz; La Nostra Morte, Renata Tebaldi; Old Artist, Archive; Hey Porter, Johnny Cash. Konventionellere Musikhörer mögen solche Art Mix nicht. Ich bin im Grunde auch ein konventioneller Hörer. Mit Klassik Radio kann man mich zum Beispiel jagen. Klassik Radio ist ein Beliebigkeitsgenerator wie das Shuffle-Programm. Mein iPod lässt sich zum Glück so einstellen, dass er mir die Musik vorspielt, die ich hören möchte, in der von mir bestimmten Reihenfolge.
Aber was, wenn der eigene Kopf „Shuffle Songs“ spielt? Die Hörrinde des Großhirns als ein lebenslanges Archiv von Tönen, über deren Einsatz und Verwendung man keine Kontrolle hat, und während man eben noch unwillkürlich aus einer Klaviersonate von Hindemith vor sich hin summt, hat man im nächsten Moment das russische Volkslied Podmoskovnye Vetschera oder die Sprechmelodie einer italienischen Hostess im Ohr, die einen zum Anschnallen auffordert, obwohl man gar nicht im Flugzeug sitzt. […]