Isabella

Sie stammt urspuenglich aus Florenz und hat den Bauchtanz durch eine Art Initialerlebnis kennengelernt: Da war sie 14 und Ballettschuelerin im Principaute de Monaco. Ihre Eltern machten mit ihr Urlaub in Aegypten, und sie sah in Kairo zum ersten Mal eine Bauchtaenzerin. Es folgten vier Jahre Unterricht im Zentrum fuer Orientalischen Tanz in Muenchen, der laut Isabella besten Schule damals. Die Deutschen seien in den spaeten achziger Jahren in einem wahren Orientrausch gewesen, und die besten Bauchtanzlehrer aus den USA, dem Mittleren Osten und Europa haetten in Muenchen unterrichtet. Die beiden Leiterinnen des Zentrums nahmen sie, das Bauchtanzkueken, unter ihre Fittiche. Mit 18 sei sie da gewesen, wo andere erst mit 25 hinkommen. Wenn man sehr jung ist, sei es leichter zu verstehen, dass Bauchtanz nicht nur eine Kunstform ist, sondern auch eine Schule der Selbstfindung. Ich muesse mir Bauchtanz wie Yoga vorstellen, nur sinnlich. Sie habe deshalb auch keine Angst gehabt, als europaeisches Maedchen vor Arabern zu tanzen. Niemand koenne fuer sich beanspruchen, den einzig wahren Stil zu beherrschen. Sie entwerfe seit Jahren ihre eigenen Kostueme, tanzte zu New Age und habe sich einen eigenen Stilmix angeeignet, mit aegyptischen, amerikanischen, iranischen und suedarabischen Einfluessen.

Nach der Schule sei sie fuer einen von Berlusconis Sendern in Castingshows aufgetreten. Weil ihre Mutter eine Freundin in Dubai hatte, zog sie mit ihr an den Golf. Dubai, das sei damals viel Sand gewesen und ein paar Leute mit verrueckten Ideen oder einer grossen Gier nach dem schnellen Geld. „Wir kamen zwar im Mittleren Osten an, aber eigentlich bist Du Dir vorgekommen wie Far East: alles auf Abenteuer eingestellt, Existenzen, die sich neu erfinden, Geld, Geschaefte, Biografien, die rein gewaschen werden…“

Ueberlebt habe sie in Dubai durch die Besitzerin des Ballet Center in Jumeirah, in dem sie heute noch arbeitet. Der Job in der Schule brachte ihr ein Residenzvisum, und so konnte sie bleiben. Ihre Kundschaft komme aus unterschiedlichen Motiven in die Schule. Japanerinnen seien besonders dankbar. Oft nehmen sie hundert Stunden und koennen danach trotzdem nicht tanzen. Es sei ihr ein Raetsel, warum diese Frauen in den Bauchtanz vernarrt seien, schliesslich haetten sie weder Hueften, noch Brueste, steif seien sie ausserdem. Araberinnen seien oft sehr narzisstisch und bildeten sich am Anfang ein, sie wuessten es besser als ihre Lehrer, weil sie manchmal zu Hause ihrem Ehemann vortanzen. Die Europaerinnen interessierten sich eigentlich nur fuer Fitness und wollten nichts als Kalorien verbrennen. Sie habe sich angewoehnt, mit diesen Frauen zu trainieren, wie man jeden Koerperteil einzeln bewegt und daraus eine Gesamtbewegung entwickelt. Dadurch wuerden diese Frauen aus ihrem Fitnesswahn befreit und lernen, ihren Koerper zu verstehen und zu akzeptieren. Manchmal habe sie taubstumme Schuelerinnen. Man muesse die Musik besonders laut stellen, dann koennten sie die Vibrationen aufnehmen.

Dubai als Heimat? Sie habe hier eine gute Zeit gehabt, in den ersten Jahren war das Leben leichter als heute. Es gab nur eine kleine Community aus Europaeern, und wenn jemand dazu kam, wusste das bald jeder. Wenn man Anfang Zwanzig ist und aus Italien kommt, ist Dubai trotz Krise eine Alternative. Isabella aber hat gerade geheiratet, der Mann kommt aus Australien. Das ist ein schoener Kontinent, aber fuer Isabella geht nichts ueber Europa. Ein Haus, am liebsten irgendwo suedlich der Alpen, Lago Maggiore zum Beispiel, aber ausser Italien ist das ja Schweiz, und da kann man nicht so leicht kaufen. Zum Glueck gibt es noch das Salzburgerland, oder die Umgebung von Muenchen. Die Berge, das Gruen, die Seen…

Isabella ist fuenfunddreissig und seit dreizehn Jahren in Dubai. Sie fuehrt einen eher unspektakulaeren Laden fuer italienische Damenunterwaesche und Strandkleider in der kleinen Shopping Mall unweit der Grand Mosque im Beach Village Jumeirah. Ein paar Tueren weiter gibt sie Unterricht in Bauchtanz. Als Taenzerin nimmt sie heute nur noch die grossen Jobs an, Hochzeiten und Wuestenfeste, oder wenn sie nach Indien oder Pakistan eingeladen wird, oder zu Parties von reichen Russen auf die Malediven. Es ginge ihr schon lange nicht mehr um Geld. Sie wohnt in Dubai Marina in einem grosszuegigen Apartment und sieht aus dem 30. Stockwerk hinaus auf den Golf. Inzwischen waechst die Konkurrenz, es gibt eine Menge Osteuropaerinnen, die haetten oft keine Spiritualitaet, seien aber trotzdem ganz gut. „Du darfst es nicht zu einer Obsession werden lassen. Dein Koerper veraendert sich mit den Jahren, deine Haut, irgendwann willst Du nicht mehr, weil Du ploetzlich das Gefuehl hast, Bauchtanz wird etwas rein Koerperliches, Du machst Dir nur noch um Deine Falten Sorgen, und dann geht die Professionalitaet floeten. Ballettaenzer haben auch ihr Alterslimit. Es gibt eine sechzigjaehrige Aegypterin, die hat einen maechtigen Schmerbauch. Die nimmt die Leute mit wie auf einen Trip.“

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