Michael Schindhelm | NUSSEIBEH UEBER SCHEICH ZAYED

Nusseibeh ueber Scheich Zayed

Scheich Zayed, 1971 Gruender der Vereinigten Arabischen Emirate und Herrscher von Abu Dhabi, wurde in Al Ain geboren. Die Wuestenstadt ist ueber Jahrhunderte der eigentliche Mittelpunkt der Emirate gewesen. Von Dubai und Abu Dhabi gleich weit entfernt, ging es von hier aus auf die Landmassen der Arabischen Halbinsel, in den Oman, zu den Saudis oder nach Bahrain und Qatar. Vor vierzig Jahren gab es selbst zwischen Abu Dhabi und Dubai noch keine befestigte Strasse. Da die Grenzen nach Oman und Saudi Arabien unbestimmt waren, musste man zwischen Al Ain und Abu Dabi einen Grenzposten passieren.

Scheich Zayed habe in dieser Welt der Beduinen Menschenkenntnis und Charisma erworben. Ihm sei der hoechste Schmiergeldbetrag aller Zeiten angeboten worden, 1956, als die Saudis im Gespann mit britischen und amerikanischen Oelfirmen das schwarze Gold in der Region zu wittern begannen: 30 Millionen Pfund. Zayed lehnte ab. Man habe damals die Staemme zu bestechen versucht, um sie Abu Dhabi abspenstig zu machen, und Zayed habe den Leuten greaten: Nehmt das Geld, aber bleibt bei mir. Sie sind geblieben.

Ende der sechziger Jahre wurde die Lage schwierig. Die britische Regierung erklaerte den Abzug aus der Region mit der Begruendung, die Kosten von 30 Millionen Pfund nicht mehr aufbringen zu wollen. Als 1971 der Plan mit Coussin Scheich Rashid aus dem Nachbaremirat Dubai beschlossen worden war, gemeinsam mit den anderen fuenf Emiraten einen eigenen Stat zu gruenden, gab es internationales diplomatisches Gelaechter. Niemand hielt diese Handvoll ungebildeter Beduinen fuer imstande, einen eigenen Staat mit Sicherheits-, Aussen- oder Wirtschaftspolitik aufzubauen. Zayed besuchte den Schah von Persien, den Koenig von Saudi Arabien, die Herrscher von Oman, Qatar, Bahrain, Kuwait. Auch Aegypten und Syrien. Ueberall musste Skepsis zerstreut und mussten Ansprueche an Land und Bodenschaetzen abgewiegelt werden. Die Saudis verlangten eine Zeitlang bis zu 70 Prozent des Landes von Abu Dhabi. In einigen der kleineren Emirate gab es ausserdem die Angst, Zayed sei wie der aegyptische Praesident Nasser nur daran interessiert, mit populistischen Methoden das ganze Land an sich zu reissen. Heute verfuegen die Vereinigten Arabischen Emirate ueber eines der hoechsten Bruttosozialprodukte der Welt.

Zayed war in Nusseibehs Augen ein Humanist. Dieser Mann sei in der Wueste aufgewachsen, unter den einfachen Beduinen. Er habe den Ausgleich zwischen Tradition und Moderne gesucht. Warum Gott, habe Zayed immer gesagt, Muslime, Juden und Christen geschaffen habe, sei uns nicht bestimmt zu hinterfragen. Menschen haetten ihresgleichen ausschliesslich danach zu beurteilen, ob sie gut oder boese handelten. Als Zaki 1969 mit ihm und ein paar Vertrauten und Geschaeftsleuten in Malaga am Fernseher die Mondlandung verfolgte, hielten einige der Begleiter die Fernsehbilder fuer Betrug. Im Koran stuende, dass die Erde von mehreren Himmelsgewoelben umgeben sei, und der Mensch koenne deshalb gar nicht zum Mond fliegen. Zayed soll ihnen geantwortet haben, Allah allein wisse, wann er den Menschen wohin fuehren wolle, und jetzt habe er eben beschlossen, dass wir den Mond besuchen duerften.

Zayed habe aus eigener Erfahrung gewusst, wie schwer das Ueberleben in dieser Region sei und dass man das nur gemeinsam koenne. Der Araber auf der Halbinsel sei von einem anderen Schlag als seine Nachbarn am Mittelmeer. Das Majilis sei in der Wueste der Ort der Verhandlung, des sozialen Ausgleichs. Die Maenner treffen sich im Schatten der Palmen. Jeder kennt seinen Platz in der Runde. Man bespricht die Dinge, die fuer das Zusammenleben wichtig sind. Die kleinen Leute sitzen zwar nicht direkt neben dem Scheich, aber sie erzaehlen ihren Nachbarn von den Problemen im Alltag, und ueber eine Art Fluesterpost erreichen sie so auch das Ohr des Herrschers. Im Franzoesischen hat sich hiervon der Begriff des phone d’Arab abgeleitet. Zayed habe seinen Leuten zugehoert. Er sei ein leidenschaftlicher, aber auch vernunftgeleiteter Mann gewesen. Seine Kraft habe er aus der Stammeszugehoerigkeit geschoepft. Deshalb habe er es verstanden, die Emiraties von seinem Modernisierungsprojekt zu ueberzeugen.

Neuen Kommentar hinterlassen