Vor dem Gesetz
Als Paul Auster am 11. September in Brooklyn die Feststellung traf, das 21. Jahrhundert habe soeben begonnen, war das sehr verständlich. Dass sich dieses Diktum inzwischen überall in der Welt, gerade auch in Mitteleuropa, durchgesetzt hat, weniger. – Mit einem Schlag schien die Erfahrung ausgelöscht, mit dem Untergang des Sozialismus habe sich die Welt grundlegend und nachhaltig verändert. Das Jahrzwölft seit Herbst 1989 schrumpfte nun auf ein interimistisches Maß, der Kalte Krieg selbst, dessen Ende man noch mit Erleichterung gefeiert hatte, war in historische Ferne gerückt und besaß vor allem in der Wiedererzählung durch James-Bond-Formate Erinnerungswert. Die Epoche des Totalitarismus, die bis eben noch – direkt oder indirekt – den Denkhorizont jeder lebenden Generation ausgemacht hatte, schien endgültig aus dem aktuellen Blickfeld geraten zu sein. Die Neunzigerjahre nichts als eine transitorische Bagatelle?
Einen Vergangenheitsentzug diesen Ausmaßes kannten bereits diejenigen, die seit einem Jahrzehnt versuchten, im Westen, dem andren System, anzukommen. […]