Wie wir unter die Deutschen kamen
In Uwe Johnsons Erzählung „Eine Reise wegwohin“ geht es um den vierzigjährigen Hamburger Journalisten Karsch, der von einer alten Freundin nach Ostberlin eingeladen wird. Er flaniert über die Karl-Marx-Allee und durch die Mark Brandenburg, plaudert mit SED-Funktionären und Verkäuferinnen, Radsporthelden und Bauern. Anfangs über sich selbst und diese anderen Deutschen um sich herum verwundert, dehnt er seinen Urlaub Woche für Woche, Monat für Monat aus, weil er die Entdeckung macht, in diesem fremden Land DDR werde zwar eine andere Sprache gesprochen und ein anderes Leben gelebt, und doch handle es sich bei diesen Leuten um Landsleute und bei diesem Land um ein Deutschland.
Nach einem halben Jahr Aufenthalt im Osten klaubt Karsch seine Aufzeichnungen und Fotos zusammen und kehrt zurück nach Hamburg in die Redaktion seiner Wochenzeitung. Mit leisem Triumph teilt er es dem zunehmend irritierten Kollegen mit: Drüben, in der Zone, im Schatten des bundesdeutschen Wirtschaftswunders, im toten Winkel der westlichen Demokratie, drüben entsteht ein zweites Deutschland, nicht so bunt und glitzernd zwar, nicht so selbstbewusst und prosperierend, aber ein zweites Deutschland. […]