Woodstock der Konservativen
„Die Engländer haben die Royals, die Deutschen die Wagners und Bayreuth“, hat mir Daniel Barenboim einmal gesagt. In der Aura des Festspielhauses am Grünen Hügel vereinigen sich Sehnsucht und Erschrecken, nach deutscher Größe und vor deutschem Elend, wie an keinem anderen Ort. Der ins Religiöse gesteigerte Dienst an der wohl zugleich deutschesten und kosmopolitischsten Kunst Richard Wagners ist oft beschrieben worden. Nitzsche nannte die „Wagnerei“ eine „leichtere Sinnlichkeitsepidemie, die es nicht weiß“. Doch Jahr für Jahr kommen sie aus Bamberg und Boston, Valencia und Wunsiedel, im Pirvatjet und im Reisebus, um einem Weihespiel der Erlösung beizuwohnen. Erlöst werden aber auch die Einzelkünste, Musik und Theater, zu einem epischen, dramatischen Gesamtkunstwerk.
Als Wagner 1876, fünf Jahre nach Bismarcks Reichsgründung, nach jahrelangen Fehlschlägen und Wirrnissen, in Anwesenheit von Wilhelm I. („Ich hätte nicht gedacht, dass Sie es durchsetzen können!“) die Festspiele mit dem von Wagner selbst inszenierten „Ring“ im von ihm selbst entworfenen Festspielhaus eröffnete, erfüllte sich für den „Deutschen Meister“ der Traum einer klassenlosen Gesellschaft. […]